Wolfgang Lüttgens | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Christian Krausch "C'est une rose" Katalogtext zur gleichnamigen Ausstellung, Vitrine PAULIN, Solre le Château, France, 2005/6 Da ist dieses kleine Schaufenster der ehemaligen Fleischerei Paulin in Solre le Château. Unauffällig fügt es sich ein in eine Reihe wenig schmucker Fassaden, die mehr das Vergangene spüren lassen, als auf Zukünftiges zu verweisen. Fakt ist aber auch sein in der Gegenwart verhafteter Zustand, schlicht und seiner einstigen Nutzung enthoben. Jetzt als Vitrine bezeichnet, hat dort, wo früher Fleisch und Geflügel um Aufmerksamkeit buhlten, die Kunst Einzug gehalten. Zuletzt mit den stillen Werken von Wolfgang Lüttgens. Seine Arbeiten fallen kaum auf. Auf dem Boden Fragmente von Fotopapier, mit verschieden großen Lochstanzen bearbeitet, sowie ein kleines Objekt, das sich bei genauer Betrachtung als ebenfalls durchlöchertes, zerfranstes und skulptural behandeltes Foto einer Rose entpuppt. Das ist nicht wirklich zu erkennen, allenfalls durch Farbe und Form zu erahnen, liegt aber nahe, zumal auf der Vitrinenrückwand zu lesen ist: "C'est une rose". Hier findet sich auch ein mittelgroßes sogenanntes "Atelierfoto", das digital bearbeitet und farblich reduziert beinah eins wird mit dem weißen Hintergrund und zugleich durch die Wölbung des Papiers wieder seine Autonomie als Foto behauptet. Einzelne kreisrunde ausgestanzte "Pixel", Teile des "Fotorosenobjektes" sind wiederum Innen an der Glasscheibe befestigt, wie Irritationen, die die flüchtigen Blicke fokussieren. Jedes zarte Element der Vitrine wirkt für sich und ist zugleich Teil eines komplexen Systems von Verweisen, das in seiner Ganzheit zunehmend an Kraft gewinnt. So begeben sich die Blicke und Gedanken des Betrachters von den formalen Zusammenhängen zwischen gestanztem und ungestanztem Fotopapier über farbliche Übereinstimmungen auf eine semantische Ebene, die das Verhältnis zwischen dem Objekt und seinem Abbild auslotet. Allein der Titel "C'est une rose" spielt mit dem Widerspruch des geschriebenen Wortes zu seiner Bedeutung, unterstützt noch durch die Diskrepanz der Verwandlung eines herkömmlichen Rosenfotos in ein abstraktes Objekt aus Fotopapier. Verbindungen stellen sich ein zum Werk von René Magritte, der 1926 unter dem Titel "Der Verrat der Bilder" das Bild einer Pfeife mit der Unterschrift "Ceci n'est pas une pipe" versehen und genau dadurch die Aufmerksamkeit für diesen Widerspruch geschärft hat. Dabei ist die Installation von Wolfgang Lüttgens nicht weniger sachlich und beschreibend, als das Werk Magrittes, das sich ohne ablenkende Details auf das Wesentliche beschränkt und allein seine magische Wirkung aus der unerwarteten paradoxen Verknüpfungen einzelner Motive schöpft. Genau hierin basiert die Kraft der Arbeit "C'est une rose" für das kleine Schaufenster in Solre le Château. Ihre Motivation ist nicht die Handlung, Spannung oder Pointe, sondern das Angebot auf äußerste Konzentration. Damit steht die Arbeit nicht nur Magritte sehr nahe, sondern auch den Absichten Gertrude Steins (1874 - 1946), deren auf größte Einfachheit und planvolle Monotonie abzielende Theorie der Dichtung in dem Statement "a rose is a rose is a rose is a rose" gipfelt. Wolfgang Lüttgens schafft einen stillen Raum, der zurückhaltend einfach und zugleich kraftvoll über das vielfältige Spiel mit und von Bedeutungen das alltägliche Sein reflektiert. Die Spiegelungen des Umfeldes in der Glasscheibe der ehemaligen Fleischerei Paulin runden in diesem Sinne den Dialog der Objekte sinnfällig ab. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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