Wolfgang Lüttgens
Texte Peter Lodermeyer "PARK"
in Vorgebirgspark Skulptur, Köln

Das Werk des in Köln lebenden Künstlers Wolfgang Lüttgens steht quer zu allen gängigen Gattungszuordnungen. Seine Arbeiten können zugleich zeichnerische, fotografische, malerische und plastische Aspekte in sich vereinen, ohne dass sie sich einem Medium eindeutig zuordnen lassen. Indem er seine künstlerischen Mittel und Optionen möglichst vielfältig anlegt, mit digitalen wie mit analogen Techniken gleichzeitig arbeitet, mit Zwei- wie mit Dreidimensionalität, hat sich Lüttgens ein enorm weites Experimentierfeld geschaffen. Das zeigt sich auch in seinem Beitrag zur Vorgebirgspark Skulptur 2022.

Im Staudengarten, dem südlichsten Sondergarten des Vorgebirgsparks, einer offenen, von Bäumen gesäumten Wiesenfläche mit rechteckig eingefasstem Staudenbeet, hat Lüttgens drei unterschiedlich große Vitrinen aufgebaut. Das Wort „Vitrine" ist aber sogleich zu relativieren, weil der Variantenreichtum dieser drei Formen erkennen lässt, dass es sich dabei keineswegs nur um praktische Präsentations-„Möbel" handelt, sondern um sorgfältig arrangierte plastische Gebilde. Das ausladendste dieser drei ist ein flacher, schubladenartiger Schaukasten aus MDF, der auf zwei geweißten Holzböcken positioniert und mit einer durchsichtigen Acrylglasplatte abgedeckt ist. Vertikal ausgerichtet ist hingegen die dreistöckige Stapelung von Plexiglasquadern, die von einem Tischchen mit quadratischer weißer Platte und schwarzen, schlanken Metallbeinen getragen wird. Das dritte Objekt besteht aus einer bodennah angeordneten weißen Platte, auf der, deutlich aus der Mitte verschoben, ein Acrylglasquader gestellt ist.


Wenn man in den Staudengarten kommt, wird man zunächst diese drei Vitrinenobjekte bemerken, die in so großer Distanz zueinander stehen, dass sie nicht als Ensemble, sondern als drei separat zu betrachtende Einzelformen wahrgenommen werden. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausrichtung und Positionierung fordern sie entsprechend verschiedene Blickhaltungen. Im Näherkommen bemerkt man bald, dass in ihnen diverse Exponate präsentiert werden, unter jedem der insgesamt vier Acrylglashaben befindet sich jeweils ein plastisches Objekt, in der MDF-Vitrine ist ein sorgfältig arrangiertes Ensemble unterschiedlicher Papiere in verschiedenen Farben zu sehen. Bei all dem handelt es sich um Ausdrucke von Fotografien, die - teils offensichtlich, teils nur mit Mühe erkennbar, teils nur erahnbar - Motive aus dem Park zeigen, die zu verschiedenen Jahreszeiten aufgenommen wurden: das Wasserbecken im Rosengarten, verschiedene Pflanzen, eine Rose im Nahblick, ein Kastanienblatt, das kahle Astwerk mehrerer Bäume vor grauem Himmel.

Offensichtlich geht es dabei nicht um eine repräsentative fotografische Erfassung des Vorgebirgsparks, vielmehr handelt es sich um ganz spezifische, fragmentarische, punktuell ausgewählte Blicke auf die Wirklichkeit des Parks, vor allem aber um die Schaffung neuer Wirklichkeitsebenen mit den Mitteln der Kunst. Sobald man ein Bild als Fotografie identifiziert hat, neigt man gewöhnlich dazu, nur noch auf das Motiv, diese vermeintlich objektive Abbildung der Realität zu achten. Indem Lüttgens die Fotoausdrucke, die unter den Acrylglashauben zu sehen sind, sorgfältig gefaltet hat, erinnert er daran, das eine Fotografie immer eines materiellen Trägers - ob Fotopapier, Projektionsleinwand oder Bildschirm - braucht, um sichtbar zu werden. Als plastische Objekte geben die gefalteten Fotodrucke Teile der Vorder- wie der Rückseite des Papiers zu sehen, werfen Schatten oder erzeugen farbige Reflexionen des Sonnenlichts. Da die Papiere unter den gestapelten Acrylglashauben dasselbe Motiv in blau, in gelb und in rot zu sehen geben, wird man vielleicht darauf kommen, dass hier die drei Farben des CMYK-Farbraums des Digitalprinters jeweils separat gedruckt wurden. CMY meint cyan, yellow und magenta, das K = key = schwarz findet sich auf den Unterseiten der Blätter.

Wer sich die Zeit dafür nimmt, wird auf den Aufnahmen subtile Farbverläufe, Helligkeitsstufen, Variationen der Anordnung auf dem Papier wahrnehmen können, und auch erkennen, wie unterschiedlich sich verschiedene Papiersorten als Träger für den Fotodruck ausnehmen: ein zerknülltes Transparentpapier, ein silbrig schimmernde Druckpapier (Silver Glossy), aber auch Millimeterpapier, das einen messenden, kalkulierenden Blick auf die Dinge suggeriert. Und wen die Spiegelungen von Baumkronen und Wolken auf den Acrylglasflächen stören sollte, weil sie den Blick auf die Arbeiten erschweren, mag vielleicht daran denken, dass auch diese Reflexionen einen weiteren Aspekt von Wirklichkeit zum Vorschein bringen und mithin Teil des Erscheinungsbildes der Arbeiten sind.

In und an den Vitrinen von Wolfgang Lüttgens gibt es viel zu entdecken. Sie sind eine Aufforderung zu einem feinjustierten, differenzierten Sehen. Ein komplexes Gebilde wie den Vorgebirgspark kann man nie mit allen seinen Eigenschaften abbilden, sondern immer nur fragmentarische Aspekte davon. Abstraktion und Fragmentierung sind die Kernthemen von Lüttgens' Arbeit. Auch Fotografien sind bloß Abstraktionen. Das wird an den drucktechnischen wie plastischen Dekompositionen, Veränderungen, Variationen seiner Fotoausdrucke sinnlich erfahrbar.


- Peter Lodermeyer -



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